Strukturwandel im Einzelhandel: Düstere Zeiten für Ladengeschäfte?

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Der Strukturwandel im Einzelhandel ist seit einigen Jahren spürbar. Nun hat auch noch die Coronakrise vieles verändert. Digitalisierung, Home Office und der Wunsch, eine riesige Auswahl zu haben, spielen mit hinein.

Fortschreitender Strukturwandel im Einzelhandel als Zeichen der Zeit

Der Strukturwandel im deutschen Einzelhandel hat bereits vor einigen Jahren begonnen. Vor allem die Forderung nach der fortschreitenden Digitalisierung und die ständige Verfügbarkeit von WLAN haben die Menschen dazu gebracht, sich mehr und mehr online zu orientieren. Auch wenn die Arbeitslosenquote in der jüngsten Zeit wieder gesunken ist, bleibt dennoch absehbar, dass der Strukturwandel weitere Entlassungen nach sich ziehen wird.

Verkäufer im Ladengeschäft werden nicht mehr benötigt, jetzt braucht es vermehrt Menschen, die sich mit der IT auskennen und den Onlineshop bedienen. Nicht zuletzt dank der Coronakrise und der damit verbundenen Geschäftspleiten werden wieder mehr Menschen prüfen müssen, ob sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und welche Möglichkeiten für sie offen stehen, um aus der Arbeitslosigkeit zu entkommen. Umschulungen und Weiterbildungsmaßnahmen werden stärker gefragt sein denn je.

Großunternehmen expandieren derweil in großem Umfang und werben mit Dauertiefpreisen, die kein Einzelhändler halten kann. ( Foto: Adobe Stock -  GrafKoks )

Großunternehmen expandieren derweil in großem Umfang und werben mit Dauertiefpreisen, die kein Einzelhändler halten kann. ( Foto: Adobe Stock – GrafKoks )

 

Preise spielen eine Rolle (Video)

Der Strukturwandel im Einzelhandel wird maßgeblich durch die gestiegenen Ansprüche der Konsumenten beeinflusst. Sie wollen auf der einen Seite alle Produkte jederzeit verfügbar haben und am besten umgehend nutzen können. Auf der anderen Seite soll der Preis für das gewünschte Produkt so niedrig wie möglich sein. Die Folge ist ein sich verschärfender Konflikt zwischen den einzelnen Unternehmen, die um Kunden buhlen müssen.

Großunternehmen expandieren derweil in großem Umfang und werben mit Dauertiefpreisen, die kein Einzelhändler halten kann. Kleine und mittlere Unternehmen aus dem Einzelhandel müssen sich auf Nischen konzentrieren und sich auf die Bedingungen kleiner Teilmärkte einstellen. Das wiederum fordert ein umfassendes Wissen und eine strategische Herangehensweise der Einzelhändler, die Tag für Tag ihre unternehmerischen Fähigkeiten unter Beweis stellen müssen.

Diese wiederum können sie sich nicht durch die Produkte entlohnen lassen, denn hohe Preise werden vom Verbraucher mit Nichtkauf abgestraft. Jeder möchte so wenig wie möglich bezahlen, die Qualität und Leistung hinter dem Produkt wird häufig vergessen.

Video: Der letzte Ausverkauf: Ladensterben im Einzelhandel (SPIEGEL TV für ARTE Re:)

Strukturwandel durch Digitalisierung

Bevor es das Internet gab, gingen die Menschen in das Ladengeschäft in der Nähe. Sie kauften dort die Waren des täglichen Bedarfs, holten sich beim Bäcker die frischen Sonntagsbrötchen. Für größere Anschaffungen wurde das regionale Einkaufszentrum aufgesucht. Doch dann kam das Internet und damit der Strukturwandel im Einzelhandel.

Fast alle Produkte waren von jetzt an jederzeit verfügbar, es gab keine Öffnungszeiten mehr und die Preise konnten spielend miteinander verglichen werden. Genau das ist auch heute noch der Fall und so hat sich das Onlineshopping zur vorrangigen Einkaufsweise entwickeln können.

Der Strukturwandel ist damit maßgeblich durch die Digitalisierung eingetreten bzw. wurde durch sie gefordert. Stimmen, die das Lädensterben durch Digitalisierung verhindern wollen, sehen diese Ursprünge oft nicht oder versuchen, am Willen der Verbraucher vorbei zu entscheiden.

Die Zahlen sprechen für sich:

  • nominales Wachstum im Handel: 1,5 Prozent pro Jahr
  • nominales Wachstum des Onlinehandels: rund 17 Prozent jährlich

Die Formate aus dem stationären Handel, die sich in der Vergangenheit bewähren konnten, müssen sich jetzt neu erfinden, um weiterhin mithalten zu können. Das trifft vor allem den Fachhandel, der für knapp die Hälfte aller Umsätze im stationären Handel verantwortlich ist.

Die größte Herausforderung ist hier der Preis- und Angebotswettbewerb. An dieser Stelle macht sich überdies der Fachkräftemangel bemerkbar: Es fehlt vielfach an den nötigen Kompetenzen, um eigene Onlineangebote auf den Weg zu bringen. So bleibt nur noch das Ladengeschäft, das von den Verbrauchern mehr und mehr gemieden wird.

Gerade der Fachhandel kämpft dabei mit einem ganz besonderen Problem: Viele Kunden kommen in den Laden, um sich beraten zu lassen. Sie probieren verschiedene Größen bei Sportgeräten aus, lassen Analysen vornehmen und sich die Vor- und Nachteile einzelner Produkte gegenüberstellen. Sie kosten den Verkäufer Zeit und bringen am Ende kein Geld. Denn den tatsächlichen Kauf tätigen diese Verbraucher am Ende im Internet.

Sie sind gut gerüstet für den Onlinekauf und bringen dank der umfassenden Beratung im Ladengeschäft das nötige Wissen mit, um eine fundierte Kaufentscheidung treffen zu können. Zu Hause angekommen, wird der Rechner angeschaltet und es folgt ein Preisvergleich zum favorisierten Produkt. Jetzt wird beim günstigsten Anbieter gekauft, der nur noch Verkäufer und nicht mehr Berater sein muss. Der Berater im Fachhandel geht leer aus, den Lohn für seinen Verdienst erhält der jeweilige Onlineshop.

 Verschiedene Faktoren wirken sich auf den Einzelhandel aus und haben zum derzeit noch anhaltenden bzw. immer weiter wachsenden Strukturwandel geführt.  ( Foto: Adobe Stock - stokkete )

Verschiedene Faktoren wirken sich auf den Einzelhandel aus und haben zum derzeit noch anhaltenden bzw. immer weiter wachsenden Strukturwandel geführt. ( Foto: Adobe Stock – stokkete )

 

Händlerinteressen und Coronakrise im Einzelhandel

Verschiedene Faktoren wirken sich auf den Einzelhandel aus und haben zum derzeit noch anhaltenden bzw. immer weiter wachsenden Strukturwandel geführt. Schon lange vor der Coronakrise hat der Strukturwandel eingesetzt, doch diese hat ihn noch einmal deutlich beschleunigt. Hinzu kommen die unterschiedlichen Händlerinteressen, die berücksichtigt werden müssen.

Händlerinteressen und der Strukturwandel (Video)

Fachhändler beklagen sich darüber, dass sie gegenüber Herstellern benachteiligt sind. Diese können Preiszugeständnisse an Großabnehmer machen und vergeben gern Rabatte. Von diesen wiederum können die Fachhändler mit ihrer geringen Abnahmemenge nicht profitieren.

Vor allem durch den Wegfall der Preisbindung für viele Produkte fühlen sich die Fachhändler nun diskriminiert. Fachhändler fordern vom Staat Diskriminierungsverbote als wichtigste Maßnahme, außerdem steuerliche Entlastungen sowie Finanzhilfen. Außerdem sollen die Bauvorschriften überarbeitet werden, sodass die Großen weniger stark expandieren können.

Die Großunternehmen halten hier dagegen und beharren darauf, dass es den Einzelhändlern nur an Fähigkeiten mangele und sie nicht in der Lage seien, auf die Veränderungen am Markt sowie auf den Strukturwandel zu reagieren. Sie bekommen vorgehalten, zu spät reagiert zu haben, den Wert der fertig rationierten Produkte zu unterschätzen und ihre Betriebe zu wenig zu rationalisieren.

Nur wenige Ausnahmen bestünden, die aber zeigen würden, dass das Leben auch neben den Großunternehmen möglich sei. Die Fachhändler verneinen die Argumentation der Großen natürlich und sehen eine fehlende Notwendigkeit der Ausweitung ihres Sortiments, wenn direkt neben ihrem Standort ein Großeinkaufszentrum entstünde.

Video: SATURN UND MEDIA MARKT: Düstere Zeiten für deutsche Elektronikhändler

Interessen der Verbraucher

Beim Einkauf geht es darum, möglichst wenig finanzielle Mittel einzusetzen und damit eine größtmögliche Befriedigung der materiellen Wünsche zu erreichen. Motorisierte Berufstätige und Familien gehen daher in den Verbrauchermarkt, wo sich von allen Warengruppen eine mehr oder weniger große Auswahl findet.

Gern wird solch ein Großeinkauf als Familienausflug geplant. Nicht motorisierte Personen oder ältere Menschen nutzen die Läden in der Nachbarschaft, um ihre Wünsche zu erfüllen. Sie bringen aber wiederum kaum zusätzliches Kapital mit, da sie sich aufgrund knapper Renten nur auf die nötigsten Anschaffungen beschränken.

Waren des mittel- oder langfristigen Bedarfs werden in den Einkaufszentren erworben, teilweise in speziellen Kauf- und Warenhäusern. Mittlerweile geht aber gerade in diesem Bereich der Trend zum Kauf im Internet, sodass der stationäre Einzelhandel mit seinen spezialisierten Angeboten nicht mehr benötigt wird.

Der Einzelhandel wurde durch die Pandemie maßgeblich beeinfluss. ( Foto: Adobe Stock - Sigtrix_)

Der Einzelhandel wurde durch die Pandemie maßgeblich beeinfluss. ( Foto: Adobe Stock – Sigtrix_)

 

Die Coronakrise als i-Tüpfelchen

Der Einzelhandel wurde durch die Pandemie maßgeblich beeinflusst und es fand ein deutlich schnellerer Strukturwandel dank der Coronakrise statt. Das Einkaufs- und Wettbewerbsverhalten hat sich extrem verändert.

Es gibt mittlerweile Studien, die davon ausgehen, dass bis zum Jahr 2023 rund ein Fünftel der Geschäfte des Einzelhandels schließen muss, was rund 80.000 Läden ausmachen würde. Die Verbraucher geben weniger Geld aus, weil sie Angst vor der (wirtschaftlichen) Zukunft haben. Gleichzeitig wurden die Geschäfte durch die wiederkehrenden Lockdowns gebeutelt. Nicht jeder konnte die Schließungen abfangen, zumal staatliche Hilfen auch wieder zurückgezahlt werden müssen.

Vorteile konnten nur einzelne Branchen aus der Krise ziehen, wie etwa der Fitness- und Gesundheitsmarkt. Der Verkauf von Fahrrädern und Hometrainern stieg so rasant wie nie, gleichzeitig erlebte die Bekleidungsbranche einen herben Einbruch. Fraglich bleibt, ob sich alles wieder normalisieren wird.

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